Evangelium
In jener Zeit war das Volk voll Erwartung und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei. Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Es geschah aber, dass sich zusammen mit dem ganzen Volk auch Jesus taufen ließ. Und während er betete, öffnete sich der Himmel und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.
Lukasevangelium 3,15–16.21–22
„Ich gebe euch eine Hausaufgabe: Wer von euch sich nicht an seinen Tauftag erinnert, möge seine Mutter, seine Onkel und Tanten, Neffen und Nichten fragen: ‚Kennst du meinen Tauftag?‘, und es dann nie mehr vergessen.“ Diese Aufgabe hat Papst Franziskus gestellt. So wie in dieser Generalaudienz hat er immer wieder für die Erinnerung an die Taufe geworben: „Wir alle müssen unseren Tauftag kennen. Es ist ein zweiter Geburtstag: der Geburtstag der Wiedergeburt.“ Ein Tag, der unvergesslich sein sollte. Aber ist er das?
Es gibt viele Papiere, theologische Dokumente und ökumenische Erklärungen, die die Bedeutung der Taufe unterstreichen. Ein Blick in die Praxis zeigt jedoch: So eine große praktische Relevanz, wie die theologischen Überlegungen das gerne hätten, ist gar nicht vorhanden.
Eine Internetrecherche offenbart: Es gibt in Gemeinden nur wenige Aktivitäten zur Feier der Tauferinnerung jenseits der formalisierten liturgischen Riten, etwa in der Osternacht. Dass das Bekreuzigen mit Weihwasser am Eingang einer Kirche an die Taufe erinnert, ist nur wenig im Bewusstsein. Und wo es Versuche gab, zu besonderen Tauferinnerungsgottesdiensten einzuladen, manchmal verbunden mit einem Zusammensein bei Kaffee und Kuchen etwa, da war die Resonanz bisweilen so gering, dass Veranstaltungen wieder abgesagt werden mussten.
Anders, wenn man den Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg (ÖRBB) fragt. Hier haben sich fast drei Dutzend christliche Glaubensgemeinschaften zusammengeschlossen – von den römischen Katholiken über Protestanten, Alt-Katholiken, Pfingstlern, Orthodoxen und Freikirchen bis zur Heilsarmee. Der Rat hat im Sommer zu einem Tauferinnerungsfest eingeladen, bei dem die Resonanz gut war. Warum es hier gelingen konnte?
„Wir wollten das Element Wasser spüren“
Hans-Joachim Ditz, Geschäftsführer des Rates und katholischer Pastoralreferent, sagt: „Vielleicht lag es daran, dass wir nicht sortenrein gefeiert haben.“ Beim Tauferinnerungsfest des ÖRBB waren alle eingeladen, die sich an ihre Taufe erinnern wollten, nicht nur die der eigenen Konfession. Denn die Taufe verbindet alle Christinnen und Christen weltweit miteinander.
Seit der sogenannten Magdeburger Erklärung von 2007 erkennen verschiedene christliche Kirchen in Deutschland die Taufe wechselseitig an. Das Taufgedächtnis des ÖRBB ging aber darüber hinaus, es schloss noch weitere christliche Gemeinschaften ein. Gemeinsam versammelten sich alle am Taufbecken der katholischen Kirche St. Michael in Berlin. Eine Wasserprozession führte in den schönen Ruinengarten der Kirche. Sie öffneten das große Portal der Kirche nach draußen hin zum Engelbecken als Zeichen der Sendung: Wir sind getauft, nicht nur zu unserem Heil, sondern zum Zeugnis und Dienst in der Welt, sollte das bedeuten.
„Wir wollten das Element Wasser spüren, das Verbindende erleben, nicht nur theoretisch darüber reden“, sagt Hansjörg Günther, Vorsitzender des ÖRBB, katholischer Priester und Ökumenebeauftragter des Erzbistums Berlin. Für ihn ist wichtig, dass hier nicht „von oben herab ein Gedächtnis vollzogen wurde, sondern dass wir uns gegenseitig an unsere Taufe erinnert haben“ – mit einem wechselseitigen Zuspruch, einer Geste, einer persönlichen Erinnerung.
Oft gebe es sonst ja das Dilemma, dass es keine Erinnerung an die Taufe gibt, weil man als Kleinkind getauft wurde. Oder die Erinnerung so frisch ist – bei Erwachsenentaufen –, dass es keiner Feier bedarf. Der ÖRBB will die Tauferinnerung von dem persönlichen Ereignis weiten und die ökumenische Dimension, also das im Wortsinn weltumspannend Verbindende der Taufe ausdrücken. „Hier zeigt sich ein Modell für eine Kirchengemeinschaft, die ausdrücklich gastfreundlich ist“, sagt Günther.
Das sei auch ein Tipp für andere Gemeinden, sagt Pastoralreferent Ditz: „Geht raus auf Entdeckungsreise, welche christlichen Gemeinschaften es bei euch gibt! Entdeckt die interessanten Aspekte der Vielfältigkeit! Und denkt dabei auch an die HKK – die Hierzulande Kleinen Kirchen.“ Diese Kirchen hätten hier in Deutschland vielleicht nur wenige Mitglieder, aber in anderen Erdteilen größere Bedeutung. Auch bei ihnen gebe es in der christlichen Ökumene viel Verbindendes zu entdecken und zu lernen. Das könne den Blick über die engen Grenzen der eigenen Konfession weiten. „Die Taufe ist gerade dafür ein Türöffner“, sagt Ditz, „weil sie die Weite der Ökumene erschließt.“
Sie haben das Taufbecken gemeinsam gefüllt
Das klingt vielleicht theoretisch, zeigt sich in Berlin aber auch ganz praktisch: Als zum Ersten Advent das Taufbecken in der renovierten und wiedereröffneten Berliner Hedwigs-Kathedrale eingeweiht wurde, füllten Vertreterinnen und Vertreter aus den christlichen Kirchen in Berlin und Brandenburg es gemeinsam mit Wasser und sprachen dabei ein Segens- oder Bibelwort. „Über alle Konfessionsgrenzen hinweg verbindet uns die Taufe. Wasser ist das uns allen gemeinsame Zeichen der Taufe“, sagte der Berliner Erzbischof Heiner Koch dabei. Im Gottesdienst wurde auch das Große Glaubensbekenntnis aus dem 4. Jahrhundert gesprochen, aus einer Zeit, in der alle Christinnen und Christen noch in einer Kirche vereint waren.
Die ökumenischen Erfahrungen, das Türöffnen und die modellhafte Gemeinsamkeit in der Tauferinnerung sollen weitergehen: Der ÖRBB plant, ab jetzt in jedem Jahr zu einem Tauferinnerungsfest einzuladen, „und dann sehen wir mal, was wird“, sagt Günther zuversichtlich.
Michael Kinnen